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Das Führungspotenzial bedarf einer klugen Abklärung

Daniel Fahrni
Daniel Fahrni

Ein NZZ-Interview mit 33 Fragen: unter anderem zum Thema Bauchgefühl, auf das Daniel Fahrni zwar unternehmerisch durchaus auch vertraut, nicht aber beim Assessment.

NZZ: Hatten Sie als Kind einen Traumberuf?

DANIEL FAHRNI: Ja, ganz zu Beginn wollte ich Erfinder werden. Nach einigen bedingt geglückten «Erfindungen» sah ich mich dann im Kindergartenalter schon etwas pragmatischer, nämlich als Feuerwehrmann.

Was würden Sie anders machen, wenn Sie nochmals neu beginnen könnten?

Ich begann meine Berufslaufbahn als Fernmelde- und Elektronikapparatemonteur, absolvierte die Ausbildung zum Primarlehrer und schloss Anfang der 1990er Jahre das Studium der Politik- und Medienwissenschaften ab. Rückblickend würde ich mehr in Fremdsprachen und Auslandaufenthalte investieren.

Wie wurden Sie von Ihren Lehrern eingeschätzt?

Das erstreckte sich von «unfleissig» über «ideenreich» bis hin zu «sehr gut». Das lag wohl daran, dass ich eher ein Spätzünder war und erst an der Uni Bern wirklich aufdrehte.

Auf welche ausserschulischen Leistungen in Ihrer Jugend sind Sie noch heute stolz?

Auf meine Jugendgruppe Aynil (All you need is love), die ich mit vier Freunden zusammen als 14-Jähriger gegründet habe. Wir engagierten uns für Jugendpolitik, engagierten Polo Hofer sel. mit Rumpelstilz für ein Konzert und sammelten Geld für Paraplegiker. Später entstand daraus ein Jugendhaus, das es heute noch gibt.

Ist die Managementausbildung auf der Höhe der Zeit?

Das Angebot beurteile ich mehrheitlich als gut und differenziert. Bei meiner Tätigkeit als Assessor begegne ich täglich Führungskräften, die national oder international gute Managementlehrgänge besucht haben und die den Erwartungen an das heutige Arbeitsumfeld mehrheitlich gerecht werden.

Wo würden Sie in der Führungsschulung andere Akzente setzen?

In einer klugen Abklärung bei der Zulassung: Ich bin nicht sicher, ob all jene Personen, die eine Führungsschulung besuchen, immer auch das Führungspotenzial oder die Eigenschaften für die Übernahme einer anspruchsvollen und komplexen Führungsaufgabe haben.

Wer hat Sie am meisten gefördert?

In meiner Jugendzeit sicher die Eltern. Sie schenkten mir früh Vertrauen und standen mir auch in schwierigen Zeiten konstruktiv und mit Respekt zur Seite. Später waren es einzelne Lehrpersonen und Vorgesetzte. Heute erhalte ich wichtige Inputs und Anregungen von meiner Familie, von guten Freunden, aber auch von meinen Mitarbeitenden und unseren Kunden.

Welche Person ist für Sie ein berufliches Vorbild?

Mich beeindrucken Menschen, die trotz schwierigen persönlichen Rahmenbedingungen ein erfolgreiches Unternehmen von Grund auf aufgebaut haben und dabei ethischen Werten und sich selbst treu geblieben sind.

Welches sind für Sie die wichtigsten Tugenden eines Vorgesetzten?

Mut, Gelassenheit und Weisheit – in chinesischen Schriftzeichen so auf meinem Arm eintätowiert.

Welche Eigenschaften Ihrer Mitarbeitenden halten Sie für besonders wertvoll?

Die Leidenschaft und das Engagement für ihre Arbeit als Assessierende. Das Qualitätsbewusstsein gegenüber unseren Kunden. Ganz besonders auch, dass sie mich immer wieder aufs Neue herauszufordern wissen.

Was bringen Frauenquoten?

Frauen werden immer noch benachteiligt. Nicht nur, dass sie weniger in Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten anzutreffen sind, auch bei der Frage der Lohngleichheit liegt noch vieles im Argen. Das darf heute einfach nicht mehr sein. Frauenförderung muss auf allen Ebenen ansetzen. Es braucht mehr Selbstverständlichkeit und weniger Diskussion – mit Frauenquoten im Auswahlprozess setzen wir zu spät an.

Haben sich Ihre Führungsprinzipien im Laufe der Zeit verändert?

Unsere Mitarbeitenden entstammen der Babyboomer-, der X- und der Y-Generation. Bei meiner früheren Führungsarbeit war die Homogenität der Mitarbeitenden bezüglich Altersspanne grösser. Heute gilt es, flexibel mit diesen unterschiedlichen Selbstverständnissen umzugehen. Geblieben sind das Delegieren von Aufgaben und Verantwortung, das Schenken von Vertrauen, Meisterschaft, Humor sowie das Prinzip des lebenslangen Lernens.

Die Berufswelt sei hektischer, belastender geworden, geht die Klage.

Ich beobachte, dass die Komplexität und Unsicherheit am Arbeitsplatz stark zugenommen hat. Parallel dazu sind die Übergänge zwischen Arbeit, Privatleben und Freizeit fliessender geworden. Wie Führungskräfte zunehmende Komplexitäten und Unsicherheiten bewältigen können, ist eine der Kernfragen in unseren Assessments, und sie gewinnt stetig an Bedeutung.

Das Thema Nachhaltigkeit bewegt. Ihr Beitrag, heute und in Zukunft?

Als Mitglied der «Klimaplattform der Wirtschaft» engagieren wir uns für den Klimaschutz. Mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und Home-Office tragen wir unternehmensintern zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Ich bin überzeugt, dass wir durch das Assessieren von Führungskräften einen nachhaltigen Beitrag zum Erfolg von Unternehmen leisten können.

Wie spüren Sie die gegenwärtige Wirtschaftslage?

Wir gründeten unser Unternehmen kurz vor der Finanzkrise, später folgte die Weltwirtschaftskrise. Heute sind die Wirtschaftsexperten der Meinung, dass das Wachstum der Schweizer Wirtschaft wieder zunehmen wird. Wohl dank der Zufriedenheit unserer Kunden haben wir dieses Rauf und Runter bis heute wenig gespürt.

Worüber haben Sie zuletzt gestritten?

Gestritten ist vielleicht etwas hart ausgedrückt. Wir hatten kürzlich eine intensive Diskussion bezüglich der Weiterentwicklung unseres CRM.

Welches ist der Stellenwert sozialer Netzwerke für Sie, beruflich und privat?

Ich bin eher der Typ «Analog premium»: Ich schätze die direkten und persönlichen Kontakte in einer anregenden Umgebung. Der Assessment-Bereich spielt sich in der persönlichen Interaktion ab, aber ich bin mir bewusst, dass der Stellenwert sozialer Netzwerke stetig zunimmt. So bin ich und ist auch unsere Firma zum Beispiel auf Linkedin anzutreffen.

Serviceklubs?

Seit mehreren Jahren bin ich Mitglied des Rotary Club Bern. Ein wunderbares, auf Freundschaft und Nachhaltigkeit ausgerichtetes Netzwerk!

Hören Sie auf Ratschläge aus Ihrem privaten Umfeld?

Ich habe das Glück, privat über ein heterogenes und breites Netzwerk zu verfügen. Es gibt immer wieder persönliche oder auch unternehmerisch wichtige Fragestellungen, über die ich gern in meinem privaten Umfeld diskutiere.

Vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl?

Als Unternehmer, ja, als Assessor, nein! Als Unternehmer darf ich mich in Anbetracht meiner langen Erfahrung auch auf meine Intuition verlassen – Komplexität und Tempo lassen einem da oft keine Wahl. Beim Beurteilen von Führungskräften hingegen heissen die Kriterien Objektivität, Validität und Verlässlichkeit – da hat das Bauchgefühl nichts verloren.

Wo waren Sie jüngst in den Ferien?

In Japan, mit der Familie. Wir besuchten Tokio und die weitere Umgebung der Hauptstadt. Wunderbar.

Wie gut kochen Sie?

Unsere beiden erwachsenen Kinder lieben es, wenn ich Schweinsfilet mit Spätzli koche. Bei meiner Frau punkte ich mit Pilzrisotto. Kommen viele Gäste, bin ich Casserolier.

Olympische Spiele, grosse Fussballturniere – besondere Tage für Sie?

Ein spannendes Fussballqualifikations- oder -finalspiel mit Freunden anzuschauen, macht mir grossen Spass. Olympische Spiele weniger.

Worüber können Sie sich ärgern?

Letzte Nacht beispielsweise über eine Mücke, die ich im Halbschlaf nicht fangen konnte. Tagsüber kann ich mich über Menschen enervieren, die nur auf ihre Vorteile aus sind, sich nur mit sich selbst beschäftigen und keine Fragen stellen.

Aus welchem Misserfolg haben sie besonders viel gelernt?

Den Misserfolg gab es nicht, sicher aber Durststrecken, Widerstände, Neuorientierungen oder ein Auf-die-Nase-Fallen. Zum Glück gab es immer wieder auch Erfolge. Entscheidend ist die Summe.

Auf welchem Gebiet haben Sie sich zuletzt weitergebildet?

Am Lasalle-Institut zum Thema Geist und Leadership.

Welchem Satz misstrauen Sie besonders?

«Es kommt schon gut!» Das ist unverbindlich, macht mich misstrauisch.

Was missfällt Ihnen als Staatsbürger?

Die Polarisierung in der Politik. Die Art des Umgangs miteinander verwandelt unsere Politkultur zunehmend in eine Unkultur, die bewirkt, dass sich das Finden und Umsetzen dringend benötigter Lösungen unnötig in die Länge zieht.

Sind Sie zuversichtlich für die Schweiz?

Wir verfügen über die Innovationskraft und das Potenzial, um uns den gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen zu stellen. Bedingung ist, dass wir nicht zu bequem wer

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